Der ewige Tanz mit dem Bodyshaming

Dies ist eine überspitzt ausgedrückte und aus einer Wut entbrannte Kolumne.  

„Du hast schon wieder zugenommen“, sagt dir die Gesellschaft. „Probier es doch mal mit einem unserer tollen Diättipps, danach darfst du dir auch einen unserer neuen Apfelstreusel gönnen,“ sagt die unqualifizierte Frauenzeitschrift für 1,50€ an der Tanke. Dein Liebhaber hat dich deswegen schon längst verlassen. Dabei warst du doch die Hübschere, trotz der paar Pfunde. Du bist eine schöne Frau.

Da hilft auch kein Super-Plus-Size-Model namens Ashley Graham, das uns von den Hochglanzmagazinen anlächelt, mittlerweile zu den bestbezahlten Models der Welt gehört und sogar für Michael Kors über den Laufsteg gleitet. Michael Kors übrigens, macht Mode für jeden bis zur unfassbaren Größe 48. Brandy Melville hingegen rät jungen Frauen immer noch dazu den Finger immer tiefer in den Hals zu stecken, um endlich nicht nur die überteuerten Accessoires, sondern auch die Kinderhosen kaufen zu können. Dabei hast du es ja gerade erst überwunden, dass du bei Zara eine Nummer größer kaufen musst. Du bist eine schöne Frau.

Auf Instagram posten alle nur noch Bilder mit dem Hashtag #foodporn und beweisen der Welt täglich Fast Food zu essen, am nächsten Tag trotzdem in jeden Bikini zu passen und unfassbar gut auszusehen. Wenn es dann doch ein bisschen Hüftgold geben sollte, wird das einfach gephotoshoped. Muss ja niemand wissen, immerhin leidet danach nur das Unterbewusstsein zahlreicher Frauen und sagt: „Du bist dick, nimm endlich ab.“ Du bist eine schöne Frau.

Bodyshaming ist allerdings mehr als nur das Internet, als nur ein paar komische Marken, die ihre Exklusivität durch Size-Zero Mode wahren. Bodyshaming kann überall stattfinden. „Speck ist kein Ausdruck von Wohlstand mehr,“ sagt die Welt. Du bist eine schöne Frau.

„Rasier dir öfter die Achseln,“ sagt die Gesellschaft. „Nein, rasier dir den ganzen Körper,“ sagt die dämliche Illustrierte. „Deine viel zu buschigen Augenbrauen können gleich mit weg, die kannst du später wieder aufmalen“ sagt irgendein Youtube-Star. Was du selbst möchtest, ist dir mittlerweile gleichgültig. Immerhin musst du ihnen gefallen. Genau den Menschen, die sich die Mäuler zerreißen wenn du es eben nicht tust. Du bist eine schöne Frau.

Und dann beschließt das Sexsymbol Adriana Lima aufzuhören. Aufzuhören sich für die Öffentlichkeit auszuziehen, insbesondere für Victoria’s Secret. Sie möchte jetzt jungen Frauen helfen Schönheitskomplexe zu überwinden. „Endlich dürfen wir sein wer wir sind, unsere Kurven werden geliebt,“ sagt die dümmliche Frauenzeitschrift und schmeißt gleich noch ein paar Kochtipps hinterher, bevor es auf Seite 33 mit dem Power-Workout weitergeht. Dabei ist es schlicht und ergreifend einfacher zu sagen, man kann es nicht mehr mit seinem Gewissen vereinbaren, seinen Vorzeige-Körper der Welt in aufreizender Unterwäsche zu präsentieren, wenn so viele junge Menschen unter Störungen leiden, als sich selbst einzugestehen langsam aber sicher zu alt zu sein.

Du bist eine schöne Frau.