Mr. Erbil – ein Lichtblick für den Irak

Mode sagt manchmal mehr als tausend Worte. Neben Krieg und Terror, Angst und Unterdrückung beginnen 40 junge kurdische Männer in der irakischen Millionenstadt Erbil sich wie Dandys zu kleiden und lösen damit einen medialen Hype aus. Wieso? Weil es um viel mehr als „nur“ die Mode geht. Um eine soziale Entwicklung im Irak, die Würde der Menschen und Kreativität.

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Doch was ist eigentlich ein Dandy? Der Begriff Dandy findet seinen Ursprung im 18. Jahrhundert und bezeichnet Männer, die ihr Leben (und ihr Portmonee) der Kunst der Mode widmen und „[…] vor einem Spiegel [leben und schlafen]“ (Charles Baudelaire, frnz. Schriftsteller). Der Dandyismus beschreibt aber nicht nur Eleganz, sondern auch einen Lebensstil. Der Mittelpunkt dieses Lebensstils zeichnet sich durch die eigene, teils narzisstische, Selbstinszenierung aus. Gegen den Mainstream und für die Dekadenz, den Verfall einer Kultur durch Veränderungen, kämpft der klassische Dandy, um sich am Ende des Tages selbst bewundern zu dürfen.

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Mr. Erbil ist eine Gruppe von jungen Männern. Männern mit unterschiedlichsten Berufen und unterschiedlichen Glaubensrichtungen. Ihre Leidenschaft für stilvolle Mode hat sie über Soziale Netzwerke zueinander geführt, nicht um sich vor dem Spiegel zu bewundern und sich Anderen überlegen zu fühlen. Mr. Erbils Interpretation des Dandyismus beschränkt sich nämlich hauptsächlich auf das Optische. Zum Mainstream möchte die Gruppe trotzdem nicht gehören. Die Dandys möchten Kurdistan aus seinem verstaubtem Image befreien und der Welt zeigen, dass die Region im Irak viel mehr als nur Unterdrückung und Brutalität ist. Inspiriert von einem italienischen Gentlemen’s Club finden die Männer mittlerweile Bewunderer auf der ganzen Welt und haben tausende von Followern auf Sozialen Netzwerken. Die Mitglieder kreieren ihren eigenen Stil, eine Mischung aus dem westlichen Stil und eigenen Traditionen. Die Vorstellungen werden von lokalen Schneidern verwirklicht, manche Kleidungsstücke sogar verkauft. Die Männer von Mr. Erbil spazieren aber eben nicht nur mit Designeranzügen durch die Straßen, wo sich sonst Gleichaltrige mit Kampfausrüstung vor dem IS hüten, und wofür es bereits mehrmals Kritik hagelte. Mr. Erbil kämpft auch für einen sozialen Umschwung in einer Region in der Frauen kaum Rechte haben. Nicht mit Waffen sondern mit den Medien. Ein Mal pro Woche stellt die Gruppe eine starke, unabhängige Frau auf ihren Sozialen Netzwerken vor, nicht nur um auf Ungleichheit und Ungerechtigkeit gegenüber Frauen hinzuweisen, sondern um akut dagegen vorzugehen und die Bedeutsamkeit der Rolle der Frau zu verdeutlichen. Unter den Dandys ist man sich einig, dass die Rolle der Frau im Irak immer noch unterschätzt wird. Aber Frauen die gegen den IS kämpfen und sich in Auffangcamps um Fliehende kümmern, prägen das Bild der Frauen bereits nachhaltig. Man sei auf dem richtigem Weg.

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“We Should All Be Feminists“, steht auf einem der jüngeren Designs der Dior Designerin Maria Grazia Chiuri und vielleicht sollte man das „sollte“ durch ein „müsste“ ersetzten. Dass Mode mittlerweile eine Plattform für vermeidlich unaussprechbare Themen mutiert und schon lange keine belanglose Oberflächlichkeit mehr ist, beweisen die Männer von Mr. Erbil, indem sie Verantwortung übernehmen, für ihren Wunsch nach einem eigenen Staat und einem neuen, lebendigen sowie kreativen Kurdistan, sowie für die Würde der Frau. Verantwortung nicht nur für ihr Herkunftsland, sondern für die ganze Welt.  Mr. Erbil sind feministische Dandys des 21. Jahrhunderts – vermutlich auch die Besseren.

Foto 1&2: instagram.com/mr.erbil

Foto 3: instagram.com/dior

In Kooperation mit thenextpagemagazine.wordpress.com